Als Vorstandsvorsitzender des Good Food Collectives e.V. gibt uns Julian Stock Einblicke in die Mission und die Ziele des Kollektivs. Das Good Food Collective (GFC) setzt sich für einen sozial-ökologischen Wandel ein und zählt aktuell über 80 Mitglieder. Im Interview erläutert Julian Stock seine Sichtweise auf eine erfolgreiche und nachhaltige Zusammenarbeit zwischen Industrie und Handel.
Was ist das Good Food Collective (GFC) und wie funktioniert es?
Das GFC ist ein seit Oktober 2021 aktives Netzwerk von aktuell über 80 sogenannten Impact-Unternehmen, überwiegend aus dem Ernährungssektor. Sie adressieren Nachhaltigkeit teils unterschiedlich, manche setzen ökologisch Schwerpunkte, andere eher sozial. Aber sie alle agieren aus Überzeugung nachhaltig, nicht aus wirtschaftlichem Kalkül. Es gilt: Sinn vor Gewinn. Das GFC ist die Speerspitze der Nachhaltigkeit in der deutschen Foodszene mit einem umfassenden Know-how. Die Vision ist ein sozial-ökologischer Wandel mit einem veränderten System, das planetare Grenzen und klare soziale Grundsätze respektiert. Dafür überwinden wir Wettbewerbsgrenzen und teilen unser Wissen, um uns schneller, einfacher und effizienter weiterzuentwickeln. Zudem sprechen wir mit einer Stimme nach außen. Das Angebot an die Verbraucher:innen ist, dass sie durch die richtige Wahl beim Einkauf einen aktiven Beitrag zum Wandel leisten.
Welche Vorteile bietet das GFC seinen Mitgliedern?
Zugang zu Know-how und Beratung, Vernetzung, Glaubwürdigkeit, Sichtbarkeit, Kommunikationsmaßnahmen und eine perspektivisch große Reichweite – bei einem niedrigen Invest und praktisch ohne Risiko.
Wie kann eine Partnerschaft zwischen dem GFC und dem Handel aussehen?
Fast alle Menschen wollen nachhaltiger konsumieren. Sie sind aber oft überfordert mit der Frage, was konkret zu tun ist. Der Handel
hat ein großes Potenzial, über das Sortiment die Brücke zwischen Denken und Handeln zu schlagen und den Menschen zu helfen, ihren Werten besser zu entsprechen. Eine Partnerschaft im Handel wäre für uns eine enge Kooperation mit den Marken, deren Produkte dieses Bedürfnis bestmöglich befriedigen – über das sichtbare Angebot im Markt sowie Informationen am Regal und abseits der Einkaufsstätte. Marken und Handel profitieren beide vom Verkauf. Aber auch der qualitative Mehrwert für den Handel, also die Profilierung mit nachhaltigen Marken, das dadurch entstehende Vertrauen und damit eine langfristige Kund:innenbindung, sind ein wichtiger Effekt einer Partnerschaft mit dem GFC und seinen Mitgliedern. Wir sind offen für Gespräche und suchen innovative Händler:innen, mit denen wir ein langfristiges Win-win-Konzept erarbeiten können. Aber wir können auch unkompliziert Marken bzw. Produkte vermitteln oder z.B. ein GFC-Display realisieren.
Was sind derzeit die größten Herausforderungen für den LEH?
Preisdruck und Kosten sind während der Krise enorm gestiegen. Aktuell greifen die Menschen vermehrt zum Preiseinstieg. Kurzfristig muss das Angebot dafür passen. Mittelfristig wird die Klimakrise das Thema Nachhaltigkeit wieder in den Fokus rücken. Dann werden ein entsprechendes Sortiment und eine qualitative Profilierung wieder zur Nummer 1. Wir empfehlen daher ein entsprechendes Engagement weiterhin im Fokus zu behalten.
Wie kann Nachhaltigkeit im LEH auch bei steigenden Preisen funktionieren?
Es braucht passende Rahmenbedingungen. Die Preise im LEH spiegeln nicht die entstehenden Kosten wider. Produkte, die als Lösung gegen die Klimakrise fungieren, müssten viel günstiger sein. Ungeachtet dessen boomen Sortimente wie Bio oder Vegan. Immer mehr Menschen sind bereit auch einen realistischeren Preis für ihr Essen zu bezahlen. Schnäppchenjäger:innen wird es immer geben. Aber die Gruppe der Bewussten, die bereit sind mehr Geld für gutes Essen auszugeben, wird unaufhaltsam größer. Und die spricht man am besten mit profilierenden Botschaften und passenden Produkten an.
Wie kann die Digitalisierung bei diesen Herausforderungen unterstützen?
Vor allem durch das Schaffen von Transparenz bei Qualität und Engagement der Marken und Produkte. So wird ein höherer Preis besser gerechtfertigt. Mit der in den letzten Jahren zu beobachtenden Flut von neuen Marken und Start-ups wird das Filtern der für den Handel relevanten existenziell.
Wo sehen Sie Vorteile von digitalen Lösungen wie Retail.me?
Händler:innen werden in dem genannten Prozess unterstützt und erhalten Orientierung in einem immer schneller und von lauter Kommunikation geprägten Markt. So können Sortimentsentscheidungen besser getroffen werden, was unter dem wirtschaftlichen Druck enorm wichtig ist.
Welche Trends im Bereich Nachhaltigkeit sehen Sie aktuell im LEH?
Ganz vorne stehen klar Bio und Vegan/Vegetarisch, wobei bei letzterem insbesondere vegane Convenience boomt. Klimaneutralität ist sicher auch ein Thema, aber das Eis ist dünn, wenn dem nicht Vermeidung und Reduzierung vorausgehen. Auch Verpackung bleibt relevant. Dies ist allerdings aus Handelssicht vorerst nur ein Profilierungsthema, denn z.B. mit Unverpacktstationen wird nach wie vor kaum Geld verdient. Hier könnten Mehrwegsysteme, die aktuell über unterschiedliche Systeme von Start-ups vorangetrieben werden, eine für den Handel versöhnliche Lösung darstellen. Das Joghurt-Pfandglas wird schon von einigen Unternehmen verwendet, aber es deuten sich schon weitere Lösungen an. Nicht zuletzt sind faire Preise, ob für regionales Getreide oder für sensible Rohwaren wie Kakao oder Kaffee, aus Verbraucher:innen Sicht klar gewünscht.